Konzert in der Presse

Mondlandung
Christian David Karl improvisiert meisterlich zu alten
Stummfilmen
Man könnte vermuten, dass es nach so vielen Auflagen
der „mixtur“ in Laubach keine ungewöhnlichen Kombinationen mit der
Orgel mehr geben dürfte. Ein krasser Irrtum. Mit Orgel und Stummfilm
setzte das Organisationsteam um Markus Stiehl von der Laubacher Kur-
und Bäder gGmbH und Dekanatskantorin Anja Martine, evangelische
Kirchengemeinde Laubach, einen neuen kreativen und erfrischenden
Meilenstein.
Die Bezeichnung „Alte Filme – frische Töne“ beschreibt nur
unzureichend, was das Publikum in der Stadtkirche am Sonntagabend
von Christian David Karl an der Orgel geboten bekam. Die Performance
startete mit nichts weniger als einer veritablen Mondlandung, die
alle Vermutungen aus dem Publikum, die erste Mondlandung habe sich
irgendwann Ende der 1960er Jahre abgespielt, widerlegte. In dem
Stummfilm „Excursion dans la lune“ von 1908 wurde glaubhaft gezeigt,
wie schon im Jahr 1796 eine Rakete auf den Erdtrabanten entsandt und
die Besatzung mit einer Mondprinzessin im Gepäck trotz Bruchlandung
auf die Erde zurückkehrte. Der junge Organist unterlegte die
aufregende Handlung mit dem passenden Klangteppich.
Wie in den Kinosälen der Stummfilmära improvisierte der aus
Romrod stammende Virtuose direkt in die Szenen hinein. In Laubach
saß er allerdings nicht vor der Leinwand, sondern sah die Filme auf
dem Bildschirm eines Laptops, der über den Orgelmanualen platziert
war.
Zwischendurch, so beschrieb eine Besucherin die verstärkende
Wirkung des Orgelspiels, habe sie völlig vergessen, dass da jemand
live auf dem Instrument auf der Empore spielte, so sehr seien
Improvisation und Bilder zu einer Einheit geworden. Ob es das
Geratter und das Signal eines Schnellzugs war, der Beginn des Tages
auf den Straßen, die Menschen in der U-Bahn oder die Kinder auf dem
Weg zur Schule, der Takt der Produktion von Stahl, Motoren oder
Milchflaschen – bei „Berlin, Sinfonie einer Großstadt“ aus dem Jahr
1927 wurde die Dynamik der Bildkomposition nicht nur optisch,
sondern auch akustisch eindrucksvoll erlebbar. Zuweilen meinte man
ein ganzes Orchester begleite diese Szenen, mit denen urbanes Leben
von vor fast 100 Jahren plötzlich ganz nahe rückte und die
Schwarzweißbilder eine Ahnung von Farbe bekamen.
Das galt umso mehr für die Begleitung der beiden Filme, die das Publikum nach der Pause zu herzhaften Lachsalven reizten. Wenn Buster Keaton im 1922 gedrehten Film „The Blacksmith“ zwei Autos zerlegt, zwei Reiterinnen in den Wahnsinn treibt und am Ende die junge Schöne für sich gewinnt, läuft der Organist auf der Empore zur Hochform auf. Auch das groteske Autorennen in „Lizzies oft eh Field“ von 1924 gewinnt 100 Jahre später durch die szenengenaue Improvisationskunst von Christian David Karl zusätzliche Dynamik und Komik.